Jubiläum
800 Jahre Orden vom Hl. Kreuz

18. 09. 2010

Es ist üblich, anlässlich eines Jubiläums auf die Vergangenheit zurückzuschauen. Bei einem goldenen Ehejubiläum sind das 50 Jahre, über die man viel erzählen kann. Bei einem 800-jährigen Jubiläum wird die Sache komplizierter: Da könnte man stunden-lang erzählen, aber das möchte ich weder Ihnen noch mir antun. Trotzdem ist es wichtig einige Dinge aus der Vergangenheit zu erwähnen, um das Heute besser verstehen zu können.

Von den vielen Orden, die im Mittelalter gegründet wurden, sind bis in unsere Zeit sieben übrig geblieben. Einer davon ist der Or-den vom Hl. Kreuz. Dieser ist immer ein kleiner Orden gewesen und hat oft sehr dramatische Zeiten erlebt.

Im Jahre 1210 gründete Theodorus von Celles mit vier Gefähr-ten aus dem Domkapitel von Lüttich (Belgien) in dem Städtchen Hoei an der Maas, eine neue Gemeinschaft als alternative Form gegenüber der verweltlichten Lebensform des Domkapitels in Lüttich. Sie wollten ein Leben in einer Gemeinschaft mit Gebet und Seelsorge für die mit der Kirche verbundenen Menschen.

Sie kümmerten sich besonders um die Menschen, die unterwegs waren, Pilger und Kreuzfahrer, indem sie ihnen eine Unterkunft gewährten. Schon bald entstanden andere Klöster im heutigen Belgien, in den Niederlanden, in Frankreich, England, Deutsch-land. Während der Kreuzzüge war bei Theodor die Überzeugung gewachsen, dass das Reich Gottes, so wie Jesus es wollte, nicht durch Waffengewalt, sondern durch ein Leben in brüderlicher Gemeinschaft verwirklicht werden könne. Im Jahre 1248 wur-den sie vom Papst als Orden anerkannt.

Im Jahre 1410 drohte das Leben der Kreuzbrüder (wie sie sich damals nannten), in Verfall zu geraten. Es wurde gründlich er-neuert. So entstand eine erneute Blüteperiode, gekennzeichnet durch eine Betonung des kontemplativen Lebens. Diese Erneue-rung war inspiriert worden von der „moderne devotie“ (moderne Frömmigkeit), einer spirituellen Laienbewegung aus dieser Zeit.

In der Reformationszeit wurden viele Klöster im Reinland und in den „niederen Ländern“ aufgehoben. Danach entstand wieder eine neue Blüteperiode. Beeinflusst durch die Ideale des Huma-nismus widmeten sich die Kreuzherren vor allem der Bildung der Jugend durch das Errichten von „lateinischen Schulen“.

Durch Heinrich VIII. wurden alle Kreuzherrenklöster in England geschlossen. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden fast alle anderen Klöster aufgehoben. Kaiser Joseph II. ließ im Bereich des heutigen Belgien Kreuzherrenklöster schließen. Die Franzö-sische Revolution und Napoleon taten den Rest. Im Jahre 1840 blieben nur noch zwei Klöster übrig, eins in Uden und eins in St. Agatha (Niederlande). Vier alte Kreuzherren waren - von einem Orden mit mehr als 1.000 Mitgliedern - übrig geblieben. Es war ihnen durch den König der Niederlande verboten neue Mitglie-der aufzunehmen.

Nach 1840 wurde dieses Verbot wieder aufgehoben. In Belgien und in den Niederlanden wurden alte Niederlassungen wieder-hergestellt und neue hinzugefügt. Eine neue Blütezeit. Die Kreuzherren zogen in die USA. Und während der großen missi-onarischen Bewegung der europäischen Kirche am Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts übernahm der Kreuzherrenorden Mis-sionsgebiete in Afrika (Kongo), in Asien (Indonesien), in La-teinamerika (Brasilien). 1953 kehrten die Kreuzherren nach Deutschland zurück. Anfang der sechziger Jahre zählte der Or-den wieder mehr als 700 Mitglieder. 1964-65 verlieren die Kreuzherren in Zaire, während der Kämpfe um die Unabhängig-keit, in einem blutigen Massaker 23 ihrer Missionare.

1967 kamen die Kreuzherren nach Wien und übernahmen die Pfarre Leopoldau. 1973 übersiedelten sie in die Großfeldsied-lung und nach einigen Jahren gab es hier 8 Kreuzherren. Sie be-treuten die Pfarren Hl. Kreuz und Don Bosco (in der Großfeld-siedlung), die Pfarren Leopoldau, Nordrandsiedlung und Saiko-gasse. Heute sind wir nur noch zu dritt, mit vier Pfarren.

Der Orden befindet sich in einem Wandlungsprozess. Die große Missionszeit ist vorbei. Auch die Gymnasien und Volksschulen mussten die Kreuzherren anderen übergeben. Der Schwerpunkt verschiebt sich von Westeuropa zu den Ländern auf der südli-chen Erdhälfte, Afrika, Asien, Süd-Amerika. Aus den drei euro-päischen Provinzen, Niederlande, Belgien, Deutschland, wurde im Jahr 2000 eine europäische Provinz, mit einem Prior-Provinzial und seinem Rat.

Die Kreuzherren haben immer eine eigene SPIRITUALITÄT gehabt. Ein erstes Kennzeichen dieser Spiritualität (und so hat es angefangen): Protest gegen Unechtheit, Unterdrückung, Ver-wässerung der Botschaft Jesu. Zu gleicher Zeit aber ein großes Maß an Akzeptanz und Toleranz.

Diese Toleranz hat mit der demokratischen Struktur des Ordens zu tun. Von Anfang an wurde die Leitung in den einzelnen Klös-tern und des gesamten Ordens gewählt.

Ein weiteres Merkmal ist das Engagement für und das Mitleben mit den Menschen, für die sie wirksam werden. Deswegen hatte das Leben der Kreuzherren immer diese zwei Seiten: nach innen gerichtet durch das Gebetsleben und die Gemeinschaft, und nach außen gerichtet durch irgendeine Form von Apostolat oder Sor-ge für die Mitmenschen.

Ein Geist von Protest gegen Unechtheit, ein Plädoyer für Au-thentizität, Nähe zu den Mitmenschen, Toleranz und Demokra-tie, wissend, dass dies alles Widerstand und Leid mit sich bringt. Deswegen die Bedeutung des Kreuzes – Orden vom Hl. Kreuz-, aber auch, dass daraus Auferstehung und neues Leben entsteht.

Wie alle andere Orden spüren die Kreuzherren hier in Europa die „Großwetterlage“: Ein Christentum, das in den Hintergrund gedrängt wird, eine Verdunstung des christlichen Glaubens. Deswegen Rückgang der Kirchen und der Orden. Ob die europä-ischen Kreuzherren das überleben werden? Im September dieses Jahres haben drei junge Männer im jetzigen Mutterkloster St. Agatha ein Noviziat angefangen. Ob es weitergehen wird? Nie-mand kann es sagen. Das einzig Wichtige für die noch verblei-benden Kreuzherren ist: In Treue ihren Dienst zu verrichten. Um es mit den Worten eines früheren P. Provinzial zu sagen: „Wenn sterben, dann stehend.“ Auf Kreuz folgt ja immer Auferstehung.

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