10. SONNTAG im Jahreskreis

Eine ganz kurze Erzählung haben wir da gerade gehört. Aber eine Erzählung mit Sprengstoff! Jesus denkt und handelt anders, als wir es spontan tun würden. Trotzdem sagt er zu uns: „Folge mir nach!“ - Mache es so wie ich! Ob wir dazu bereit sind?

Da hat ein bestimmter Matthäus eine Zollstation gepachtet. Er ist berechtigt im Namen und im Auftrag des römischen Kaisers Zölle zu erheben. Jährlich muss er einen fixen Betrag an den Kaiser abführen, aber den Rest darf er behalten. Deswegen kassieren die meisten damaligen Zöllner dann auch höhere Beträge als vorgeschrieben. Verständlich, dass sie deswegen bei der Bevölkerung nicht sehr beliebt waren. : Den armen Bauern, die mit ihren Produkten über die Grenze kamen, zogen sie das Geld aus der Tasche. Darüber hinaus arbeiteten sie amtlich mit der verhassten Besatzungsmacht, den Römern, zusammen.

Aber es gibt noch andere Gründe diesen Zöllnern aus dem Weg zu gehen. Die religiöse Obrigkeit ist überzeugt, dass Gott die Sünder nicht mag, sondern verstößt. Daher werden Menschen, die in der Öffentlichkeit als Sünder bezeichnet werden, von der jüdischen Synagoge und vom Tempel ausgeschlossen. Mit anderen Worten: Sie sind exkommuniziert. Wer sich dann mit solchen Leuten einlässt, der entfernt sich notwendigerweise selbst vom guten Weg. Deshalb will der fromme Jude mit solchen Sündern nichts zu tun haben.

Gerade auf so einen Menschen geht Jesus zu und macht ihn zu einem seiner engsten Mitarbeiter! Er weiß genau, dass dieser Matthäus als ein sündiger Mensch betrachtet wird. Aber er nennt ihn einen „Kranken, der einen Arzt braucht“. Jesus ruft nicht ganz religiöse und unbescholtene Menschen in seinen Dienst, sondern Menschen, die von andern verurteilt werden. Würden wir so etwas tun?

Wir kennen noch eine andere Erzählung, auch von einem Zolleinnehmer, Zachäus, der auf einen Baum klettert, um Jesus zu sehen. Und auch zu ihm sagt Jesus: „Ich will mit dir und mit deiner Familie bei dir zu Hause essen.“ Auch dieser Zachäus wird dadurch, dass er von Jesus angenommen wird, ein anderer Mensch. Er will sogar den Menschen, denen er zu viel Geld abgeknüpft hat, mehrfach zurückgeben.

Jesus war ein großartiger Therapeut. Er hat gewusst, dass ein Mensch nicht von Schuld geheilt wird, indem man ihm ständig den Spiegel seiner Sündhaftigkeit und Schlechtigkeit vor Augen hält, sodass er sich ununterbrochen klein und schuldig fühlen muss. Er spricht nicht moralisierendes „du sollst“ und „du darfst nicht“. Von Schuld befreit wird ein Mensch nur dadurch, dass ihn jemand, trotz seiner Schuld, bedingungslos annimmt.

Jesus zeigt hier wahrhaftige Barmherzigkeit, die Barmherzigkeit Gottes. Ist Barmherzigkeit in unserer Gesellschaft nicht ein totales Fremdwort geworden? Man sucht immer nur Schuldige, die Medien sprechen einfach eine Vorverurteilung aus und verlangen nach Strafe, im Namen der Gerechtigkeit? Wie oft machen wir es nicht den Medien nach? Ist dieser Ruf nach Strafe aber nicht oft ein Ruf nach Rache?

Jesus unterscheidet zwischen dem Menschen und seinen (falschen) Taten. Und das ist die ganze - nicht einfache - Kunst, die wir von Jesus lernen können. Wir sollen es nicht leugnen, wenn Menschen sich falsch benommen haben. Ihre falschen Taten sollen wir ankreiden, aber wir können sie trotzdem als Menschen, als ‚Kinder Gottes‘ betrachten, sie nicht aus dem Weg gehen, sie als Menschen akzeptieren.

Ich glaube, auch unsere Kirche hat in der Vergangenheit diese Botschaft von Jesus zu viel überhört. Sie hat immer an erster Stelle über die Sündigkeit der Menschen gepredigt und dass Gott sie bestrafen wird. Das hat Jesus nie getan. Er ist auf sündige Menschen zugegangen, ohne ihnen Vorwürfe zu machen, und hat sie eingeladen, mit ihm mitzumachen. Gott lässt es regnen über Gute und Böse. Er hat Jesus nicht in die Welt gesandt um die Menschen zu richten und zu verurteilen, sondern um sie aus ihrer falschen Lebensweise zu retten. Kommt da nicht Freude auf, an so einen Gott glauben zu können? Und sind wir bereit, so zu handeln wie Jesus?

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