7. SONNTAG im Jahreskreis

 

Wir haben gerade eine der gewaltigsten Bibelstellen gehört. Was Jesus da sagt, scheint aller Lebensklugheit zu widersprechen. Wie also umgehen mit diesem Kernstück der Bergpredigt Jesu?

Gewalt ist ein Thema, das sehr aktuell ist. Ist es nicht so, dass Gewalt in unserer Gesellschaft zunimmt: Auf den Straßen, in der Nachbarschaft, in den Familien? Fast jeden Tag steht es in der Zeitung: Menschen werden erstochen und erschossen. Wie viele Filme und Sendungen gibt es noch ohne Gewalt und Aggression? Als ob das „normal“ wäre!

Jesus will uns für Gewaltlosigkeit gewinnen: Verzichtet überhaupt auf Vergeltung und Rache. Er fordert uns auf, gegen unsere natürlichen Neigungen anzukämpfen: Die Neigung zu Aggression und Gewalt steckt in unseren Genen. Es ist das evolutionäre Erbgut, das wir vom Tierreich mitbekommen haben. Fressen und gefressen werden. Nur durch das aggressive Durchsetzen der eigenen Interessen, kann das eigene Leben gesichert werden. Aber bedeutet Menschsein nicht diese Naturgesetze in uns, zu überwinden?

 

Jesus sagt: Wenn dich einer haut, dann hau nicht zurück; wenn dich einer beleidigt, dann halte dich zurück und tue nicht das Gleiche; wenn dich einer um eine Unterstützung bittet, die dich Mühe kostet, dann tue es nicht mit Widerwillen, sondern tue sogar um eine Spur mehr als verlangt wurde. Gewalt nicht mit Gewalt beantworten, Feindseligkeit nicht mit Feindseligkeit, Aggression nicht mit Aggression, denn sonst steigert sich das immer weiter, wird gegenseitig immer mehr aufgeschaukelt. Paulus sagt: "Lass dich nicht vom Bösen besiegen, sondern besiege das Böse durch Gutes". Güte kann entwaffnend wirken.

Jesus geht sogar noch einen Schritt weiter: Liebe deine Feinde. Was meint er damit? Wenn im Alten Testament (der Bibel von Jesus) von Nächstenliebe geredet wird, dann ist mit dem Nächsten der Stammes- und Glaubensgenosse gemeint: „An den Angehörigen deines Volkes sollst du dich nicht rächen und ihnen nichts nachtragen. Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst..“ Und genauso wenn von „Feindesliebe“ geredet wird: Mit dem Feind ist der „Bruder“ gemeint, der zum eigenen Volk gehört, und deshalb darf es keinen Hass gegen ihn geben.

Wenn von Nächstenliebe die Rede ist, geht es nicht in erster Linie um großes Gefühl und aufwühlende Emotion, sondern vor allem um tatkräftige Hilfe. Im Buch Exodus heißt es zum Beispiel: „Wenn du dem verirrten Rind oder dem verirrten Esel deines Feindes begegnest - unbedingt sollst du ihm das Tier zurückbringen! Und wenn du den Esel dessen, der dich hasst, zusammengebrochen unter seiner Last daliegen siehst, dann sollst du ihm, mit deinem Feind zusammen, helfen!“ (Ex 23,4-5). Das ist Liebe.

 

Wenn wir also die Worte von Jesus über Gewaltlosigkeit, Nächsten- und Feindesliebe richtig verstehen, dann müssen wir sagen: Das soll an erster Stelle für uns Christen untereinander, in unseren zwischenmenschlichen Beziehungen, möglich sein und praktiziert werden.

 

In diesem Zusammenhang taucht natürlich der Gedanke auf: Wie ist es dann mit den Völkern untereinander? Jesus hat nicht über „die große Politik“ gesprochen. Er hat z.B. keine Aussagen gemacht über die Unterdrückung seines Volkes durch die Römer, die das Land besetzten. Da gibt er keine konkreten Verhaltensweisen. Sollen also die Ukrainer, die angegriffen werden, auf Waffengewalt verzichten? Hat nicht jedes Volk das Recht, sich gegen die Aggression von Außen zu schützen? Sicher gibt es in der Geschichte Beispiele von gewaltlosem Widerstand:

All diese Aktionen haben aber viele blutige Opfer gekostet. Ob dieser gewaltlose Widerstand für eine ganze Gesellschaft, für ein ganzes Volk immer möglich ist? Ist Waffengewalt nur mit Waffengewalt zu stoppen?

Die Worte von Jesus in seiner Bergpredigt über die Gewaltlosigkeit gelten aber an erster Stelle für unser persönliches Leben und für unser Verhalten als Christen untereinander. Hier soll es möglich sein. Hier sollen wir Vorreiter sein in Nächsten- und Feindesliebe.

 

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